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Rettung der deutschen Großbauprojekte durch Partnering?

Risikoreduktion in Großbauprojekten durch den Einsatz kooperativer Projektstrukturen

Für Jahrzehnte wurden Bauprojekte in Deutschland auf Basis der Annahme aufgesetzt und vertraglich fixiert, dass erfolgreiche Projekte nur möglich sind, wenn die Projektparteien gegeneinander in einem Spannungsfeld aufgestellt werden, welches durch sorgfältig ausgearbeitete vertragliche Regelungen zusammengehalten wird. Dennoch kann sich auch in einer solchen Projektstruktur ein kollegialer Geist entwickeln und das Projekt zum Erfolg führen, wenn die richtigen Persönlichkeiten beteiligt sind. Dies sollte jedoch eher als Produkt eines glücklichen Zufalls denn als Regelfall angesehen werden. Oftmals versucht mindestens eine zentrale Projektpartei, ihren eigenen Nutzen zu Lasten des Projekterfolgs zu optimieren, indem sie aktiv und gezielt Nachtragsansprüche generiert. In diesem Fall greifen vertragliche Regelungen und Risikoverteilungen, die bei richtiger Gestaltung das Projekt vor Schaden bewahren können.

Limitationen der konventionellen Systematik

Dieses etablierte System kommt jedoch insbesondere bei Großprojekten zunehmend an seine Grenzen: Die stark verzögerten Großbauprojekte Flughafen Berlin Brandenburg, Oper Köln und Stuttgart 21 sind nur einige Beispiele. Projekte mit Einzelvergaben werden aufgrund der zahlreichen Schnittstellen für viele Bauherren zu kompliziert, da die Schnittstellen nicht mehr wirksam überwacht werden können und viele der Risiken in dieser Konstellation in letzter Instanz auf den Bauherrn zurückfallen. Großprojekte mitsamt ihren Schnittstellen an einen Generalunternehmer zu vergeben und somit einen großen Teil des Risikos auszulagern, funktioniert auch oftmals nicht zufriedenstellend. In der aktuellen Marktsituation findet sich häufig schlicht kein Generalunternehmer, welcher bereit und in der Lage ist, diese Risiken zu übernehmen. Wenn doch ein Generalunternehmer gefunden werden kann, hat dieser bei sehr großen Projekten im Regelfall eine derart hohe Macht über den Projekterfolg, dass eine Risikoverlagerung auf den Generalunternehmer trotz entsprechender vertraglicher Regelungen tatsächlich effektiv nicht stattfindet, da der Bauherr in die Abhängigkeit des Generalunternehmers geraten ist. Umgekehrt kann der Generalunternehmer durch ein komplexes Großprojekt bei Problemen selbst in Schieflage geraten, was Zugeständnisse an den Projekterfolg erschwert. Wie kann diese verfahrene Situation also behoben werden?

Lösung aus dem angelsächsischen Raum

Eine Lösung für diese für Bauherrn von Großbauprojekten missliche Lage ist im angelsächsischen Raum bereits seit Jahren verbreitet und fasst auch im deutschen Markt langsam Fuß: Kooperative Projektmodelle, die darauf abzielen, das Bauunternehmen möglichst früh und noch während der Planungsphase in das Projekt zu integrieren (sogenanntes Early-Contractor-Involvement) und durch Anreizsysteme ein ausgeglichenes Miteinander und ein Best-for-Project-Denken zu schaffen. Diese Modelle laufen häufig unter den Bezeichnungen Integrated Project Delivery (IPD) bzw. auf Deutsch Integrierte Projektabwicklung (IPA), Project Alliancing, Partnering oder 2-Phasen-Modell.


Kooperatives Modell

Konventionelle Zusammenarbeit

Mehrparteienvertrag

IPD, IPA

N/A

Einzelne Verträge

Project Alliancing*, IPD-lite, 2-Phasen-Modell

Konventionelles GU-Modell, konventionelle Einzelvergaben

* In der Praxis wird „Project Alliancing“ teilweise auch synonym zu IPD verwendet.

Während diese Ansätze in Deutschland weitgehend noch als Neuland einzuordnen sind, zeigen die vielen positiven Erfahrungen aus aller Welt, dass IPD und die hier gelisteten verwandten kooperativen Ansätze auch für den deutschen Markt nicht mehr als unrealistisch oder zu wenig erforscht gelten müssen. Insbesondere IPD-artige Projekte aus Finnland könnten hierbei ein erfolgreiches Vorbild für Deutschland sein, da diese in einem vergleichbaren Rechtsrahmen stattgefunden haben. Es besteht die Chance, das Image des öffentlichen Bauens in Deutschland wieder zum Positiven zu wenden.

Risiken für den Projekterfolg

Aufbauend auf der Erfahrung der Experten unseres Teams und weiterer, IPD-erfahrener Experten aus unserem Netzwerk wurde die nachfolgende Aufstellung der aus Expertensicht für den Projekterfolg maßgeblichsten Bauprojektrisiken ermittelt. Hierzu sei anzumerken, dass es sich nicht um eine vollständige Liste aller maßgeblichen Risiken, sondern um eine grobe Skizze der wichtigsten Risikocluster handelt.

  • Risiko einer fehlerhaften oder unzureichenden Bedarfsplanung: Durch eine fehlerhafte oder unzureichende Ermittlung und Planung von Nutzer- und Betreiberbedarfen zu Projektbeginn können im weiteren Projektverlauf fehlerhafte Planungs- und Ausführungsergebnisse erstellt werden. Auch können initiale Kostenermittlungen fehlerhaft sein, da diese auf fehlerhaften Annahmen bezüglich der Anforderungen beruhen. Dies kann zu umfangreichen Planungs- und Ausführungsänderungen im Projektverlauf mit negativen Termin- und Kostenauswirkungen sowie zu einem Verfehlen der Zielvorgaben führen.
  • Risiko verborgender Eigenschaften von Baugrund bzw. Bausubstanz („Baugrundrisiko“, „Bestandsrisiko“): Durch nicht rechtzeitig erkannte negative Eigenschaften von Baugrund (Neubaumaßnahmen) oder Gebäudesubstanz (Umbau, Modernisierung) in Kombination mit unzureichenden diesbezüglichen Vorkehrungen können Umplanungen und/oder Behinderungen mit Mehrkosten und Verzögerungen verursacht werden.
  • Risiko unkontrollierter Leistungs- und Planungsänderungen: Änderungen am Projektinhalt werden durch ein fehlerhaft konzipiertes Anforderungs- und Änderungsmanagement nicht ausreichend beschränkt oder es werden Änderungsentscheidungen auf Basis unvollständiger Informationen getroffen. Ein erhöhter Planungsaufwand für die unnötige Untersuchung von Änderungsanfragen sowie unsachgemäße kosten- und zeitintensive Änderungen können zu Mehrkosten und Verzögerungen führen.
  • Risiko von unklaren oder ungeeigneten Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten: Durch unklare oder ungeeignete Definitionen der Tätigkeitsschnittstellen und Risikoallokationen zwischen den Projektbeteiligten können negative gegenseitige Beeinträchtigungen mit Kosten- und Terminauswirkungen verursacht werden.
  • Risiko von zu hohen Angeboten im Rahmen der Ausschreibung („Marktrisiko“): Durch den Verkäufermarkt der letzten Jahre für Bauleistungen in Deutschland sowie eine zunehmende Ressourcenknappheit kann es insbesondere in Verbindung mit dieser Situation nicht angepassten technischen Planungen und Ausschreibungskonzeptionen zu unwirtschaftlichen Angeboten und Vertragsabschlüssen kommen. Diese können die Kostenermittlungen aus der Planungsphase überschreiten und zu Mehrkosten gegenüber dem Budget bei der Vergabe bzw. zu Verzögerungen durch Neuausschreibungen führen.
  • Risiko mangelnder Qualitätssicherung von Planung und Ausführung: Durch nicht rechtzeitig erkannte Fehler in Planung oder Ausführung werden Inbetriebnahmehindernisse, Umplanungs- und Umbaumaßnahmen, Mehrkosten im Gebäudebetrieb, zusätzliche Reparaturaufwände und/oder ein verringerter Wert des Gebäudes verursacht.

Risikoreduktion durch kooperative Modelle

Diese übergreifenden Bauprojektrisiken betreffen in unterschiedlicher Intensität fast alle Großbauprojekte in Abhängigkeit von ihrer Projektstruktur. IPD und IPD-verwandte Konzepte können jedoch einen Beitrag dazu leisten, die Risiken substanziell zu verringern. Die risikomindernde Wirkung von IPD kann hierbei sowohl als ursachenbezogen risikomindernd (die Eintrittswahrscheinlichkeit mindernd), als auch, aufgrund der höheren Flexibilität von IPD, wirkungsbezogen risikomindernd (die Auswirkungen bei Risikoeintritt mindernd) eintreten.

Für fast alle typischen Risiken in Großbauprojekten bietet IPD also eine neue Chance für eine substanzielle Risikoverringerung. Einzig das in den letzten Jahren in Deutschland weiterhin sehr prävalente Marktrisiko kann durch IPD derzeit zumindest in Deutschland noch nicht reduziert werden. Allenfalls ein frühzeitiges Erkennen von Materialengpässen und im Bedarfsfall eine flexible Umplanung könnten sich hier risikomindernd auswirken. Für eine spürbare signifikante Reduktion des Marktrisikos durch IPD in der Zukunft ist zunächst der langfristige stetige Aufbau eines Anbieterkreises für IPD durch entsprechende Pilotprojekte erforderlich.

Ausblick in eine kooperative Zukunft

Zurückkehrend zur Ausgangssituation lässt sich feststellen, dass IPD und damit verbundene kollaborative Projektstrukturen dazu beitragen können, einige der Hauptprobleme zu lösen, die Großbauprojekte in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten geplagt haben. Diese Lösung hat jedoch auch ihre Tücken. Am wichtigsten ist, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Projektteilnehmern in IPD- und IPD-ähnlichen Projekten und damit ihr Erfolg in hohem Maße von einer wirksamen Incentivierung abhängt. Die Anreize müssen sowohl zwischen dem Projekt und seinen Teilnehmern als auch zwischen den verschiedenen Projektparteien richtig abgestimmt sein. Falsche Anreize, insbesondere in Bezug auf Fristen und die Übernahme zusätzlicher Kosten, haben in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass sich die Projektbeteiligten gegeneinander gewandt haben und dadurch ganze IPD-artige Projekte zum Scheitern gebracht wurden. Das Best-for-Project-Denken muss sich für alle Projektbeteiligten auch finanziell lohnen, damit diese die erforderlichen kooperativen Verfahren und Verhaltensweisen auch vor Ihren jeweiligen Geschäftsführern bzw. Eigentümern oder Aufsichtsgremien begründen können.

Wenn IPD also mit einer wirksamen wie auch anspruchsvollen und erreichbaren Anreizsystematik verknüpft wird, könnten auch in Deutschland zukünftig Großbauprojekte wieder häufiger von einem positiven öffentlichen Echo begleitet im Kosten- und Terminrahmen abgeschlossen werden. Da die zentralen Weichen hierfür bereits zu Projektbeginn gestellt werden, ist für IPD-unerfahrene Bauherren die frühzeitige Einbindung IPD-spezifischer, fachlich-inhaltlicher und juristischer Expertise unbedingt angeraten. Damit könnten IPD und verwandte Konzepte ein wichtiger Baustein für eine Rückgewinnung der öffentlichen Unterstützung von Bauvorhaben und somit für den langfristigen Erhalt und Ausbau unserer gebauten Infrastruktur sein.

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