Mit Bezug auf Korruption hat sich die Baubranche zweifelsfrei einen gewissen Ruf „erarbeitet“. Die Natur von Bauprojekten, nach welcher große Investitionssummen für Planung und Bau eines im Regelfall einzigartigen Bauwerks investiert werden, zieht Korruptionsrisiken leider förmlich an. Nicht zuletzt die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Skandale, angefangen von den Vorgängen um den Projektentwickler Jürgen Schneider [1] bis hin zum Skandal um Schmiergeldzahlungen beim Berlin Brandenburg Airport [2], legen die zum Teil filmreifen Vorgänge [3] offen dar.
Herausforderungen bei der Untersuchung von Verdachtsfällen
Wenn es in einem Bauprojekt zu einem Anfangsverdacht kommt, wird häufig zunächst eine interne forensische Sonderuntersuchung initiiert. Oftmals werden hierfür ganze Festplatten, Rechner, Projekt-Server oder sogar der Gesamtdatenbestand betroffener Unternehmen gesichert und für die forensische Analyse eingefroren. Eine volle Durchsicht und Prüfung der enthaltenen Daten ist jedoch oftmals trotz aller technischen Fortschritte mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dies wirft die Frage auf, inwieweit eine risikobasierte, heuristische Herangehensweise je nach Ausgangslage eine valide Alternative zur vollumfänglichen Untersuchung sein kann.
Korruptionsrisiken in den jeweiligen Leistungsphasen und Projektprozessen
Zur Einschätzung des Risikos für Korruption der jeweiligen Leistungsphasen und Projektprozesse hat Ankura eine Expertenbefragung durchgeführt, die Aufschluss darüber gibt, welche Schwerpunkte sowohl bei der projektbegleitenden Korruptionsvorbeugung in Bauprojekten als auch bei Baurevisionen oder risikobasierten Sonderuntersuchungen gesetzt werden könnten.
Ausprägungen und Hintergründe
Neben den, oftmals auch außerhalb des eigentlichen Bauprojekts verorteten, Themen Grundstückserwerb und Baurechtschaffung stehen insbesondere die Themen Abrechnung sowie Ausschreibung und Vergabe im Mittelpunkt. Bei der Vergabe von Ingenieur- und Bauleistungen werden Risiken insbesondere darin gesehen, dass Informationen während der Ausschreibungen gezielt an einzelne Bieter gegeben werden, um diesen einen unlauteren Vorteil gegenüber dem Wettbewerb zu verschaffen. Auch Leistungsbeschreibungen und Wertungskriterien, die gezielt bestimmte Bieter bevorzugen, werden als signifikantes Risiko gesehen. Bei den Vergaben der Bauleistungen werden neben den vorgenannten Punkten auch insbesondere gezielter Betrug bei den angebotenen und verbauten Qualitäten sowie der gezielte Abschluss von Verträgen ohne adäquate Gegenleistung gesehen. Dies spiegelt sich auch bei den Einschätzungen zur Abrechnung wider, wo neben der Korruption mit Bezug auf die Rechnungsprüfung auch die gezielte Abrechnung von nicht bzw. nicht adäquat erbrachten Leistungen (Überfakturierung) im Vordergrund steht.
Anzumerken ist, dass es sich hierbei um eine Befragung von Experten aus dem westeuropäischen Raum handelt, welche auf die individuellen praktischen Erfahrungen der Befragten abzielt und somit keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
[1] Vgl. Wie Baulöwe Jürgen Schneider mit Immobilien und einem simplen Schneeballsystem deutsche Banken um Millionen betrog, Solveig Gode, Business Insider, 20.01.2022 https://www.businessinsider.de/wirtschaft/macht-und-millionen-podcast-23-juergen-schneider-a/
[2] Vgl. Warum der Berliner Flughafen Korruption begünstigt, Christian Schlesiger, 18. August 2015 WirtschaftsWoche https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/imtech-und-ber-schmiergeld-und-korrupte-manager/12199744-2.html
[3] Vgl. z.B: „Der König von Köln“ https://www.daserste.de/unterhaltung/film/themenabend-koelscher-kluengel/der-koenig-von-koeln-100.html
